1965 - Abschlußbild in der Schule (ich, Mittelreihe, 5. von rechts)

 

1965 schloß die 10-jährige Schule ab und machte die Elektromechaniker-Lehre im VEB Elektromat (5.000 Mitarbeiter) weiter. Unser Klasse wurde aufgeteilt in VEB Elektromat- und Flugzeugwerft-Lehrlinge. Wir gingen aber zusammen in die gleiche Berufsschule. Bei der Flugzeugwerft durften nur die arbeiten, die keine West-Verwandtschaft hatten. Ich hatte zwar die Mutter im Westen, aber keinen Kontakt. Kamen aber keine Pakete, keine Post.

 

Mitte 1967 war ich dann Elektromechaniker und fing bei der Qualitätskontrolle (TKO) als elektrischer Meßmittelprüfer an. Die Firma hatte ja über 3.000 Voltmeter, Amperemeter, Multimeter, Oszillographen, usw. wo die Genauigkeit zu prüfen war. Es gab einen Hallen-Neubau in der Halle 212, der auf 20 Grad klimatisiert war und wir hatten Vergleichs-Instrumente mit 5 x höherer Genauigkeit als die Prüflinge hatten. Auch Kompensationsmeßtische, die teuer waren. 4- 5 Leute arbeiteten darin. 

 

Arbeitsbeginn 5:45 Uhr, Arbeitsende um 15:15 Uhr. Frühstück 1/4 Std., Mittag 1/2 Std. Wir hatten in der Abteilung kein Norm und es ging locker zu. Durch die Größe und Weite der Firma, die auf mehreren Hallen verteilt war und dass auch noch andere Firmen auf dem Flugplatzgelände waren, gab es etliche Großküchen, Verkaufsstellen. Frühstück lief dann so ab: 7:30 Uhr gingen wir von der Halle 212 zur Halle 219 in die Kantine. Hier gab es Kaffee, belegte Brötchen und auch Wurst, Käse, Brot, was man sich selber zusammenstellen konnte. Wie eine Art Frühstücksbuffet. Am Ende bezahlte man die die dort sitzende Küchenfrau, die einen dann schon kannte. Es war ein herzliches Miteinander. Dann setze man sich mit den Kollegen aus den anderen Qualitätsstellen zusammen. Quatschte, erzählte, aß, trank. Nach 8 Uhr ging es dann wieder in die Halle 212, in den Ing.-Raum, wo wieder Kaffee getrunken wurde, weil ja alle nicht zum Essen in Halle 219 gingen. Das Ganze ging dann wieder bis 8:40 Uhr. Mittags ähnlich. Kam immer 1 Std. zusammen. 

 

In der elektrischen und mechanischen Kontrolle arbeiteten ca. 80 Leute. Viele Mechaniker stammten noch aus der Flugzeugwerft und Kriegszeit. Sie hatten schon gute, solide Berufserfahrungen. Für was Kontrolle? Bei 2.500 Arbeitern mußte ja alles geplant sein. Jedes Drehteil hatte einen Begleitschein, wo die Arbeitsabläufe drauf standen. Was zu machen ist. Wieviel Rüst- und Arbeitszeit es dafür gibt. Jeder Arbeitsgang wurde kontrolliert, abgezeichnet. Sogenannte "Lenker" holten das bearbeitete Teil ab, guckten auf die Liste, was der nächste Arbeitsgang ist und brachten es dorthin. Arbeiter hatten alle einen Stempel, ebenso die Kontrolleure, so dass alles nachvollziehbar war. Gab es Schwierigkeiten oder die vorgegebene Zeit war zu gering, ging man zum Operativ-Technologen der die Zeit änderte oder zum Stoppen mitkam. Arbeiter erhielten Lohnscheine und hatten Heft, wo sie Tag, Auftrag, Zeiten eintrugen und so auf ihre Wochenstunden dann kamen. 

 

In der DDR wurde in meiner Zeit noch anfangs samstags gearbeitet, dann nicht mehr. 

 

In der Firma gab es Duschen, so daß ich jeden Tag vor Arbeitsende (in der Arbeitszeit) duschte! Sagte niemand etwas. In der Arbeitszeit wurden auch private Arbeiten gemacht. So wurden  Autoanhänger gebaut. Dreiräder, Fahrräder, private Teile gesandstrahlt, gespritzt, da wir eine große Farblackier-Abteilung hatten. Frauen klebten vorher die Teile ab. So nutze man die Anlage auch zum Auto spritzen. Das ging aber nur nach Feierabend, denn die Produktion durfte nicht drunter leiden.

 

In der DDR hatte ja kaum einer ein Telefon. Das war aber kein Problem. Was will man auch mit einem Telefon, wenn die anderen auch keins haben? So rief man sich während der Arbeitszeit an und verabredete sich über die Betriebstelefone mit seinen Freunden. Ging wunderbar. Alle Telefone hatten keinen Amtsanschluß in den Firmen, aber etliche schon.

 

Nach der Lehre kaufte mich mir eine gebrauchte JAWA 350 von jemanden, der sich auf Abzahlung einließ. Kam um die 1.300 Ostmark. War aber nicht das aktuellste JAWA-Modell. Da ich anfangs nicht üppig verdiente, zu Hause Kostgeld abgeben mußte, ging ich nach der Arbeit noch Telegramm austragen bei der Hauptpost mit gestelltem Moped. Trinkgeld gab es nie von den Telegramm-Empfängern, da die alle "gelähmt" waren, wenn die ein Telegramm erhielten.

 

Wir Jugendliche hatte in der DDR schon viel Abwechslung. Es gab Kinos, Eisdielen, Kneipen, Tanzsäle, Stadtfeste (z.B. in Pieschen an der Elbe), Freibäder (Waldteiche, Sonnenland, Mockritz, Georg-Arnold-Bad, Cossebaude, Bilz-Bad), Freiluftkino im Großen Garten oder auf dem Weißem Hirsch. Motorrad hatte jeder. Das "A und O" war ja in der Sturm- und Drangzeit das andere Geschlecht.  

 

Von den Betrieben, von der "Brigade der sozialistischen Arbeit" her gab es Betriebsfeste mit Tanz und mit /ohne Ehepartnern. Waren immer gut. 

 

Im Kollegenkreis war es normal, dass man bei dem anderen zu Hause ohne Voranmeldung vorbei kommen konnte zum Kaffeetrinken. Im engen Kollegenkreis konnte man sich auch politische Witze erzählen.

 

In der DDR hatte man 2 Meinungen. Eine für zu Hause, Bekanntenkreis und eine für die unbekannte Öffentlichkeit.

 

Ferienzimmer konnte man nicht mieten, da alle an den FDGB gebunden waren. Man kam aber schon ran. In den Schulferien waren die dran, die Kinder hatten, in der anderen Zeit, die ohne Kinder waren. Zelten, Camping konnte man. Plätze an der Ostsee waren aber überlaufen. In der CSSR waren wir auch mal zelten 1976. Am Lipno-Stausee mit vollgeladenen Trabant und Freunden, die noch ein Faltboot mit hatten. Kann mit noch erinnern, dass es dort lang regnete und wir kaum noch trockene Sachen hatten für die 1-jährige Tochter und uns. 

 

TÜV gab es in der DDR nicht. Großbetriebe mit Pkw-/Lkw-Park machten ab und zu mal Überprüfungen für die Autos ihrer Leute. Man stellte bei unserem Trabanten fest, dass die Schweller durch waren. Auf dem Elektromat-Gelände war noch eine Firma, die Lufttechnischen Anlagen, die verzinktes Blech im großen Umfang verarbeiteten für Luftkanäle. Hier hatte einer Schweller aus dem Blech angefertigt und abends wurden die dann angeschweißt. Natürlich nicht kostenlos. Man war aber froh, dass es gemacht wurde.

 

Im FDGB zu sein, war Standard, ebenso in der "Deutsch-Sowjetischen Freundschaft". Kam immer Beitrag. Er war aber nicht übermäßig, aber am Jahresende gab es immer noch Jahresendprämien in hunderter Höhe. Neben dem Auszahlungstisch saßen schon welche mit Spendenlisten. Hier konnte man nicht durchgehen ohne irgend eine Zahlung.

 

Es gab auch in Dresden die Sächsische Landesbibliothek. Dort gab es auch West-Fachbücher und -Zeitungen. Zu allen gab es keinen Zugang. Dazu brauchte man einen "Giftschein" (titulierte die Stasi). Ich las dort Zeitschriften über Elektronik. Las dort das erste Mal in den frühen 70s über die ersten Fax-Geräte, wo ein US-Sherif ein Bild eines Verbrechers per Fax versandte. DDR hatte noch Telex in der Zeit. 

 

Kopiergeräte waren in der Zeit nicht verbreitet, aber ich konnte 1974 unsere Ing.-Abschlußzeitung in der Landes-Bibliothek gegen Bezahlung kopieren lassen. War aber ganz anderes Kopier-Papier als heute.

 

1968, bei den Kadergespräche schlug man mir vor, dass ich studieren sollte. In der DDR konnte man direkt studieren, Abendstudium oder Fernstudium machen. Kam keine Studiengebühren. Direktstudium war für mich nichts, da man dann kein Geld hat die ganze Studienzeit. Ich war unschlüssig.

 

In der 8. Klasse  war es obligatorisch, dass man eine Tanzstunden-Kurs in einer privaten Tanzschule besuchte. Ich konnte aus Geldgründen nicht teilnehmen. Kam so 100 Ostmark. Tanzen lernte ich mir selber und es klappte gut. In der Tanzstunde mußten die Jungen auch einen Aufwartungsbesuch bei den Eltern ihrer Tanzpartnerin machen. Im Anzug und mit Blumen!

 

Ich hatte im Herbst 1967 ja inzwischen meine Frau M. kennen gelernt auf einem Tanzsaal in Lomnitz. Wie kam ich zu ihr? Wohnungsnachbar und Schulfreund Manfred (Spitzname "Seppl") lernte Wasserbauer und erzählte, dass hinter Ottendorf-Okrilla die Post abgehe und ein Mädchen-Überschuß dort wäre.

 

Die damalige Musik in der Zeit auf den Tanzsälen war noch tanzbar, mit Titeln wie Wild-Things, San_Francisco , Sieben_Meilen_Stiefel , Beatles (schon ab 1963)

  

Vorher waren wir auf den Dresdner Tanzsälen, wie Lindengarten, Schillergarten, Kurhaus Bühlau, Jugendclub Rudi Arndt, Haus der Volksarmee, Gasthof Boxdorf,  sogar mal in Radeberg unterwegs.

 

An den Motorrädern hatten alle Fuchsschwänze dran. Die Motorräder hatten alle Sitzbänke und keine Einzelsitze mehr. Von den Sitzbänken schnitt man die Halteriemen ab, damit die Mädels sich an einem halten mußten ....

 

Nun ging es 25 km von Dresden weg. War für DDR-Verhältnisse eine halbe Weltreise. Mit Moped SCHWALBE ging zum Sonntags-Nachmittags-Tanz (16 - 19 Uhr). Es wurde West-Musik gespielt, aber 60 % mußte Ost-Musik sein, lt. Vorschrift. Niemand hielt sich dran. Den DDR-erfunden Tanz "LIPSI" tanzte niemand.

 

Es funkte auf dem Tanzsaal. Sie war 16 geworden, ich 2,5 Jahre älter. Sie lernte Industrieschneiderin. Wie ging es damals auf den Tanzsälen ab? Weiß ja die heutige Jugend nicht mehr! Vor Tanzbeginn wurde der Saal mit Fett/Öl ausgespritzt, damit man besser rutscht beim Tanzen. Mädels saßen an den Tischen. Jungens auch oder standen an der Theke. Sprungbereit. Sobald die Band anfing, ging das Rennen zu den Mädels los. Es war schlimm :-) Man brauchte ja Zeit bis zu dem Tisch der Auserwählten. Die oder ihre Freundinnen sahen einen kommen. Man wurde gnadenlos gemustert: "Achtung, der kommt!". Ein Konkurrent war vielleicht schneller oder man erhielt einen "Korb". Manche waren ja so primitiv, dass sie nach dem Korb jemand anderen am Tisch aufforderten. Machte ich nicht. Beim Zusammen-Tanzen merkt man ja schon, wie geschmeidig, tanzbar SIE ist, wie SIE redet. Fühlt schon ihren Körper und merkt ihre Reaktion ob es sinnlos ist, weiter die Bewerbung verfolgen.  Als Test, ob man ankommt,  holt man sie nicht jeden Tanz:-)

 

Tanz gab es man natürlich auch Samstag abend. Auf den Dörfern, wo sich alle kannten, gingen die Gruppen in der großen Tanzpause zu den Eltern, wo schon Kaffee und Kuchen vorbereitet waren. War für mich neu. Gab es ja in der Stadt nicht. Kam man aus der Stadt, war man schon ein Begehrter, ein "Städter". War so die Chance für die Mädels in die Stadt später zu ziehen. Die Leute aus dem Dorf guckten auch in den Tanzsaal durch die Fenster rein. Wollten ja ihre Kinder sehen :-)

 

Der Herbst ging vorüber. Ich fuhr paar Mal Samstags zu ihr hin. Fuhren mit Motorrad ins Kino oder Richtung Sächsische Schweiz. Mußte ihr dann sagen, dass ich bei dem Wetter nicht mehr kommen kann. Sie sprach dann mit ihrer Mutter und ich konnte dann im Zimmer der Brüder übernachten. Ein gleichaltriger Bruder von ihr hatte eine Freundin aus dem Ort und war dort schon die ganze Zeit. Der ältere Bruder von ihr, war auch schon lange im anderen Dorf bei einer. Sie hatten schon Kinder. 

 

Das Zimmer war nur provisorisch gebaut im alten Teil einer Mühle, wo noch die Mühlsteine, Gebälk lagen. Kein Licht auf dem Flur. Ging da nicht auch noch der Bach durchs Haus? Im Winter mörderisch kalt, weil keine Heizung drin war. Die Mutter meiner Frau hatte es nicht leicht mit 3 Kindern. Geschieden, weil der Mann trank. Hartz IV gab es nicht in der DDR und sie mußte schon arbeiten gehen. Mann/Vater ging dann nach dem Westen und verstarb. Aber das ist eine andere, neue Geschichte, die mich nichts angeht. 

 

Inzwischen kam ich nun auch mittwochs. Fuhr dann donnerstags zur Arbeit. Im Winter konnte ich Bahn/Bus nutzen. Es gab ja eine Busverbindung nach Ottendorf-Okrilla und von dort eine Bahnlinie nach Königsbrück/Dresden/Flughafen/Elektromat. 

 

Frühling 1968 fand der Einmarsch in Prag statt. Wir wollten im Sommer in die CSSR zum Zelten fahren. Zelten erlaubte ihre Mutter, aber nicht in der CSSR. So fuhren wir zur Ostsee mit Motorrad und Zelt. Ein Wahnsinn! Waren gut 400 km auf dem Motorrad. 

 

Was war nun mit dem Studium? Immer hing das Schwert über mir, wann ich zur NVA eingezogen werde. Gemustert war ich schon. So schrieb ich nach "oben", dass ich wegen Studium-Anfang und Planbarkeit eingezogen werden will! Und schon ging es im Herbst 1968 los. Kam als Sprechfunker in eine 120-mm-Granatwerfer-Kompanie nach Brandenburg. Diese Kompanie gehörte zu einem Mot-Schützen-Regiment. Die Kompanie hatte ein Hauptmann, 2 Offiziere, 6 Unteroffiziere und ca. 25-30 Soldaten. Funktionierte so: Die 4 oder 5 Granatwerfer wurden je von einem Lkw gezogen und wurden im Tal "abgeprotzt". Auf den Berg ging die Führung, guckte wo der Feind steht und gibt die Koordinaten an die Granatwerfer-Gruppe, wie alles einzustellen ist und welche Ladung um die Bomben herum kommt. Dann wird geschossen. Der Gegner bekommt so einfach Bomben aus "heiteren " Himmel. Ist eine Steilfeuerwaffe. Gibt es auch in 23 mm-Ausführung, die wir "Pralinenspucker" nannten. 

 

Die Batterie war in einem Reihenhaus untergebracht. Die Mot-Schützen in einer großen Kaserne und mußten zum Essen marschieren in die Speisehalle. Wir holten das Essen nur in Kübeln rüber und aßen auf der Stube. 

 

Morgens ging's immer raus zum Morgensport. Angeführt von einem eingeteilten Unteroffizier. Wurde aber kaum Sport gemacht. Im Winter standen wir die Morgensport-Zeit im warmen Kartoffelkeller bis es wieder zurück ging :-)

 

In der Kompanie konnte ich noch einen Job als "Wäschebulle" ergattern: Wäsche einsammeln, sortieren und mit Lkw-Fahrer und einem Unteroffizier zur Wäscherei in Brandenburg fahren. Mit den Mädels in der Wäscherei flirten, anschließend in Kneipe, Pferdebockwurst essen und Schnaps im Motorraum reinschmuggeln (machte der Uffz.). Ich war dazu ein kleines Licht.

 

Wir hatten schwarze Arbeitsdrilliche und ich füllte die zum Transport in die Wäscherei in die blau-weiß-karierte Bettbezüge. Irgendwie muß ein Drillich drin geblieben sein, denn als wir wieder die Wäsche holten, waren die Wäscherinnen schon aufgeregt: "Alle Bettwäsche war schwarz nach dem Waschen. Wir mußten alles entfärben. Nun sind auch alle blau-weißen Karos raus ...."

 

Wie das dem Spieß (Oberfeldwebel) sagen? Der lachte und nahm es locker: "Ok, die weiße Bettwäsche den Unteroffizieren geben!".

 

Im ersten halben Jahr gehörte ich zu den "Kabelaffen". Diese mußten die Sprech-Kabel zwischen Führungsstelle auf dem Berg und der Batterie im Tal verlegen. Parallel gab es aber noch eine Funkverbindung. Es kam aber kein Ernstfall, so dass es immer bei Übungen blieb.

 

Glücklicherweise machte ich nur einen Wintereinsatz mit, der schrecklich war. Ausgelöst wurde er, weil der BRD-Bundestag in Westberlin tagte. Eiskalt, Zehen fast erfroren. Auf einem einsamen, vereistem Feld standen wir nachts und der Spieß ließ ein großes Militärzelt audfauen. In die Mitte kam ein Ofen. Rings herum voll Reisig. Der Ofen ließ den Schnee schmelzen und alles war naß um den Ofen.  Manche lehnten an den Ofen und am Morgen waren deren Mützen angebrannt :-) . Toiletten gab es nicht. Alle in den Wald rein.

 

Ich konnte im Führerhaus eines Lkws (ELO, DDR-Produktion) mitfahren, wo es einigermaßen "warm" war. Die Granatwerfer-Bedienungen mußten auf der Ladefläche mitfahren, wo die Hälfte der Plane zurück geschlagen war, damit die schneller abspringen und den Granatwerfer in Stellung bringen konnten. 

 

Der Wäsche-Job rettete mich vor einer weiteren Winterübung 1969, die ganze Batterie aber raus mußte. Der Spieß, paar Kranke und ich blieben da, weil auch in der Zeit die neuen Rekruten kamen. Ich wurde halber Spieß-Schreiber, Uff. vom Dienst, mußte Stuben-Abnahmen machen und mich um die Wäsche kümmern. 

 

Schikanen für die Neuankömmlinge gab es nicht. Sie mußten nur oben schlafen und einer wurde anfangs mit voller Uniform verdonnert "Feuerwache" zu schieben, weil in den Stuben noch Kohleöfen standen. Nach einer 1/2 Std. ist man aber hin und dann konnte der auch

ins Bett gehen :-) 

 

Ich war auch in einem Theaterzirkel mit drin und so fuhren wir des öfteren nach Potsdam ins Theater. Einmal machte die Kompanie einen Ausflug nach Postdam, Schloß Sanssouci. 

 

Das Schlimme war, wenn wir Wache für das ganze Objekt hatten. Jede Kompanie, Einheit war mal dran. Abends 17 Uhr antreten in Uniform mit scharfer Waffe. "Vergatterung" wurde gerufen. Dann einrücken ins Wachgebäude und 2-Std.-Dienst 24 Std. 2 Std. Wache am Zaun/Mauer, 2 Stunden wieder im Wachgebäude zum Schlafen in Uniform, 2 Std. Bereitschaft und dann wieder 2 Std. raus. Aus den 2. Bereitschaft wurde auch ein halbes Schlafen im Waffenständer. Nichts mit Dasitzen und munter sein. Es war immer eine Qual. Nach 24 Std. taumelte man ins Bett. Im Sommer ging es noch, aber wenn es regnete, schneite war es schlimm. Man spürte die Kälte durch die Stiefelsohle. Socken lohnten sich nicht, die hatten beizeiten Löcher. So kam man mit Lappen besser.  

 

Wer bei der Armee bei internen Wettkämpfen Bestzeiten brachte, wurde mit Sonderurlaub belobigt.  Im Schießen war ich nicht gut, so dass ich die begehrte "Affenschaukel" nicht erhielt. 

 

Wurde aber einmal mit einem Foto belobigt vor der "Entfalteten Regimentsfahne" :-)

 

Nach Beendigung der NVA-Zeit nach 1,5 Jahren ging es in der TKO des Elektromat Dresden weiter. Ich wurde lohnmäßig als Techniker eingestuft und leitete die Periodische Meßmittelüberwachung für elektrische und elektronische Meßgeräte. Dabei mußte ich unsere "Normalien" wieder mit Normalien in Berlin testen lassen, die nochmals genauer waren. Ich beantrage dann eine Dienstfahrt nach Berlin und mit Auto und Fahrer ging es zu der Prüfstelle. Später die gleiche Procedure, wenn die Geräte fertig waren. Die Normalien müßten ja auch periodisch geprüft werden und diese genauen Geräte mußten 5 x genauer sein, als die Meßgeräte die in dem Werk in der Produktion waren. 
Was war nun mit dem Studium? Ein Abendstudium in DD, jeden Abend in die Stadt fahren, bis 21 Uhr lernen, nach Haus und morgens wieder raus. War nichts. Zu groß die "tote" Vor- und Nach-Zeit.
Also entschloß ich mich für eine 4,5 -jähriges Fernstudium an der damaligen Ing. Schule in Görlitz, Richtung Elektrotechnik/Elektronik, die heute noch existiert. Schule liegt direkt an der polnischen Grenze zu Zgorzelec. War eine gute Lösung.  4 Wochen Arbeit und dann 1 Woche bezahlte Freistellung für das Studium in Görlitz. Nur Fahrtkosten, Bücher und Hotelübernachtung mußte man selber zahlen.

 

1970 startete ich.  Dort wurden Arbeiten geschrieben, der neue Stoff kurz behandelt und zu Hause mußte man dann alles durcharbeiten und vorbereiten. Qualifizierte Fachbücher gab es in der DDR. Einfach war das Studium nicht, denn etliche Mit-Studenten gaben auf. Kann mich noch entsinnen, dass ich der Einzigste war, der eine "1" in der Abschlußarbeit in Mathe 1974 geschrieben hatte. Lehrer erwähnte das! 

 

1967 hatte ich schon meine Motorrad-Fahrerlaubnis gemacht. 1970 arbeitete ich bei der GST im Betrieb mit und wir fuhren auch mal raus zu einer Wochenend-Übung. Episode: Der Betriebs-GST-Chef ordnete an, dass schon heißes Wasser in der Gulaschkanone für die Suppe gemacht werden soll, bis der richtige Koch kommt. Der kam, schlug die Hände über de Kopf zusammen und alles heiße Wasser mußte raus, da die Suppe mit kaltem Wasser angesetzt werden mußte. 

 

Ich sollte später Fahrlehrer machen, brauchte aber selber erst mal die LkW-Fahrerlaubnis. Das ging Ruck-Zuck. Donnerstag, Freitag Fahrten mit eine großen LkW und am Samstag war schon die Prüfung. Bestanden. So sparte ich sehr viel Geld, denn die Fahrerlaubnis aus der DDR wurde im Westen später anerkannt. 

 

In der DDR hatten zur damaligen Zeit die Firmen Computer von ROBOTRON und wir lernten beim Studium in ALGOL 60 zu programmieren. COBOL gab es ja auch. Erstellte Programm wurden ausgedruckt und auf Papierbändern gelocht, damit man sie wieder einlesen kann. 

 

               Im Westen hatte ich meinen ersten IBM-Nachbau-Computer 1982 in Taiwan

               noch über Firmen-Fernschreiber, Telex bestellt und all die Zeit immer modernisiert.

               Hatte Plotter, A4 und A3-Nadeldrucker. Jetzt nur noch 2 Laptops, Tablett,

              2 Handys, 2 Laserprinter und ein Kombigerät mit Drucker, Fax, Scanner.

              Kostet ja nicht mehr viel. Doppelt brauchte ich immer für zu Hause und wenn

              ich in der Schweiz war. Ach, einen Pager hatte man auch mal in den 90s.

 

In Görlitz hatten ein Studienfreund und ich immer ein Hotelzimmer genommen. Einbett-Zimmer waren da nicht üblich, kaum verfügbar und zu teuer. Schlief auch schon mal im dortigen Studentenheim, denn dort gab es auch Direktstudenten. Es gab auch ein Fach mit "Betriebsökonomie", aber nur mit Lenin-Thesen durchsetzt. Konkrete Kontierung, Buchhaltung brachte ich mir im Westen dann selber bei und machte auch Buchführung für Läden. Nur in der Praxis versteht man alle. Auch Betriebsführung mit Kennzahlen. 

 

1972 heirateten wir schon, um endlich eine Wohnung zu bekommen. Es war ein sogenannte FDJ-Wohnung. War im Dachgeschoß eines Mietshauses Nähe Schauburg in Dresden, 

 

Die Groß- und Schwerpunktbetriebe hatte eine eigene Wohnungs-Vermittlungs-Stellen und Kontigente, wo man sich mit Wohnungsproblemen hinwenden konnte. Wir lebten nach der Heirat in einem Zimmer in der Wohnung mit Tante und Großmutter. Dusche, Bad gab es nicht. Toilette auf halber Höhe im Haus. 

 

Die erhaltene "FDJ-Wohnung" auf der damaligen Otto-Buchwitz-Str. war stark sanierungsbedürftig. Wasseranschluß nur im kleinen Flur, aber endlich eigene Wohnung! Wir waren glücklich. Wände waren nicht isoliert. Kachelofen im Wohnzimmer war auch schlimm. Man konnte das Feuer durch die Ritzen sehen. Schlimm war die Wohnungstrennwand zu den Nachbarn. Wenn die Spiegeleier brieten, konnte man das Bruzeln hören. Über der Wohnung war ein Spitzboden ohne Isolation. In der Firma ELEKTROMAT gab es eine Bautruppe, die nach der Arbeit im Einsatz war. Die verlegten uns Holzplatten, damit es einigermaßen eben war und nivellierten es mit einer Masse. Die stellten natürlich dem Hausbesitzer eine Rechnung. Damals hatte ich auch noch keine große Ahnung vom Bau. Kam erst alles im Westen.

 

Stromleitungen legte ich neu. Glücklicherweise gab es auch Schukosteckdosen und Schalter. Erhielt man aber nur, wenn im Sozialversicherungsausweis irgendetwas von Elektriker eingetragen war. Meiner Frau ihr Bruder kam auch mal, um alles mit anzuschließen, der als Elektriker im Glaswerk in Ottendorf-Okrilla arbeitet

 

Schwiegermutter organisierte mal aussortierte Teppichfliesen, die nicht verkaufbar waren. Wir mußten sie noch zurecht schneiden, da sie nicht quadratisch waren oder Leimflecken hatten. Ging aber.  Wohnzimmerwand bestellten wir im Laden von den Hellerauer Werkstätten. Natürlich mit Wartezeit. Ging aber. 

 

              Leider hatte ich mich im Osten und auch mal im Westen entschlossen, alle Fotos                              wegzuwerfen. Sollte man nie machen!

 

In der DDR gab es eine vierteljährliche Zeitung "Praktic" für Basteleien im Haushalt, am Auto. War sehr gefragt. Dort sahen wir wie man aus Diagläsern 50 x 50 mm Fliesen macht. Einseitig mit Farbe angestrichen und dann an die Wand ran. Wir machten es für die Küche als Notbehelf. Bekannte machten es auch. Bei denen blätterte dann die Farbe im Laufe der Zeit ab. Eben bekam man die Fläche nicht und die Glaskanten waren scharfkantig. Aber es sah gut aus und Bekannte machten es nach. 

 

Freund F. (Ausreisender 1979, nun in Singen lebend) aus NVA-Zeit machte uns die Wasser- und Abwasserleitung in die Küche, also aus dem Flur heraus. 5-Liter-Heißwasser-Unterbeckenboiler war das Non-Plus-Ultra für uns. Einen neuen Kohlebeistellherd und Gaskochherd hatten wir dann auch. Auch eine doppelte Spüle. Neuen, mittleren Kühlschrank ebenfalls. Waren also glücklich. Es gab ja kein Badezimmer. Toilette war über den Flur, die wir mit einer alten Frau teilen mußten, die nicht mehr "dicht" war und was verlor ....

 

Fürs Haus gab es unten einen Raum, den man als Fahrrad- und Motorrad-Raum nutzen konnte. Jeder hatte hinten im Hof einen Verschlag für die Kohlen. Im Hinterhof gab es noch eine kleine Firma und über der wohnte eine Frau mit mindestens 10 Katzen!

 

Beim obligatorischen TbC-Röntgen stellte man Schatten bei meiner Frau auf der Lunge fest. So mußte sie 1/2 Jahr in die Heilstätte nach Pulsnitz  gehen. Sie lag in einem 3-Bett-Zimmer. Ich besuchte sie Mitte und Ende der Woche mit dem Motorrad. 

 

Beim Bett-Beziehen im Winter sahen wir, dass die Matrazen-Enden einen Pilzbefall hatten. Klar, denn die Betten standen an der Außenwand, es war kalt und wurden schlecht belüftet. Das Schlafzimmer hatte keinen Ofen.  Heute, nach Kenntnissen in der Bauphysik, ist mir das klar. Damals war man unwissend. 

 

Ich wieder hin zur Wohnungsabteilung in der Firma und erzählte den Fall. Dazu kam, dass wir ein  Kind erwarteten und ja die Frau schwanger war. Bei der Wohnung-Chefin hatte ich einen Stein im Brett und so erhielten wir eine "gebrauchte" AWG-Wohnung in Kleinschachwitz. Die vorigen AWG-Mieter bekamen andere Wohnung, da sie zahlenmäßig zu viele waren. Wir waren nicht ganz happy, da die Einbauküche nicht mehr die Neueste, kein Balkon, keine Zentralheizung hatte und der Kunststoffboden stark beansprucht war. Wir zogen dann den Boden mit scharf geschliffenen Sägeblatt-Resten ab, die ich jeden Tag mit in die Firma nahm, um sie scharf schleifen zu lassen.

 

Die Jawa 350 hatte ich verkauft und dann eine neue MZ 150 mir zugelegt. Wir kamen um 1973 dann auf die Idee einen gebrauchten Trabant zu kaufen und uns das Geld von der Großmutter meiner Frau zu borgen. Gesagt getan. Weiß nicht mehr wie alt er war, aber er war es schon 10 Jahre alt und es war noch der alte Typ Trabant 500. Der Preis war um die 6.000 Mark. Ein neuer Trabant hätte um die 7.500 Mark gekosten, aber durch die lange Wartezeit unerreichbar. Es war Winter und der Verkäufer mit seinem Freund priesen das Auto als geräusch-arm an. Weiß noch genau, wie wir in dem Auto hinten drin saßen bei Schneefall und begeistert waren. Na, die hatten eine 15 mm-dicke Filzdecke im Inneren und im Kofferraum verlegt, die aber feucht wurde, wie ich später feststellte. Und die Schweller waren auch hinüber. Merkte ich unerfahren alles später. Aber wir waren erst einmal glücklich. Konnten dann mit Kinderwagen wegfahren zur Schwiegermutter/ Verwandtschaft . 

 

Einmal bin ich dem Auto im Winter zum Studium nach Görlitz gefahren. Ging auch durch ein Dorf. Ich war auf einer Bergkuppe. Es schneite. "Unten" kam mir ein Schneeräumfahrzeug entgegen. Ich bremste, aber der Trabant rutschte auf die linke Seite auf das Schneefahrzeug zu. Ich dachte im bin im schlechten Film und mich betrifft es nicht. Ich hörte mit dem Bremsen auf, gab Gas (oder doch nicht?) und kam dann was abseits auf meiner rechten Seite am Rand zum stehen. Puhhh...

  

Mitte 1974 machte ich meinen Ing.-Abschluß, machte eine Abschlußarbeit in der Firma und wurde Elektronik-Ing.

                                   Dieser Ing.-Titel wurde mir auch 1980, nach der Übersiedlung

                                  in den Westen durch eine Hochschule in Hannover bestätigt und

                                   in "Ing., grad." umgewandelt. Der Westen prüfte alle DDR-Fach-

                                   und Hochschulen, ob diese wirklich qualifiziert waren oder nur

                                   sozialistischen Lernstoff vermittelten.

 

Wurde dann im ELEKTROMAT Leiter der elektrischen Meßmittelkontrolle. War aber kein großer Super-Job. 

 

Wieder zurück zu 1970: Hier gab es das Helsinki-Abkommen, wo sich die DDR verpflichtete Familienzusammenführungen zu gestatten. Damals kamen alle Regierungschefs in Helsinki zusammen. Auch Honecker war dabei und fühlte sich und die DDR damit aufgewertet. Also stimmte er für diese Reisefreiheit, Familientreffen und Zusammenführungen. Das war der Anfang vom Ende der DDR! Intershops und Rentner-Reisen in den Westen gab es schon, die auch ein Sargnagel für die DDR waren 

 

1972 starb die Großmutter an einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Ich war dann derjenige, der ein Telegramm zu meiner Mutter schickte, obwohl ich gar keinen Kontakt zu ihr hatte. Ruth und Kurt schellten mich und waren böse, dass ich das tat.

 

Ich putzte gerade das Motorrad MZ 150 auf dem Hof unserer FDJ-Wohnung. Da kamen Ruth und mit ihr meine Mutter Edith. Zwei Schwestern wieder vereint. Sie blieb aber nur paar Tage in der DDR, weil sie angeblich keine Zeit habe. Zur Beerdigung der Großmutter war sie schon weg, obwohl alle Trauergäste nach ihr fragten. Der Edit-Besuch überstrahlte den Tod der Großmutter. 

 

In den Tagen, wo sie in Dresden war gingen wir in den Intershop, was einkaufen. Gingen wir wo zum Essen, mußte sie irgendwie dem Kellner mitteilen, dass sie aus dem Westen kam. Aber Trinkgeld gab sie nicht. Typisch Edith: Großspurig, theatralisch. Ich konnte mich nicht für sie erwärmen, auch später nicht. War nicht "meine Mutter". 

 

Sie war und blieb auf Hausfrauen-Niveau. Hier ein Beispiel: Wir hatten unser FDJ-Wohnung im Dachgeschoß ausgebaut. Schwiegermutter hatte Teppichfliesen fürs Wohnzimmer organisiert, die aber noch zuschnitten werden mußten, weil nicht rechtwinklig. In der Stadt konnten wir eine schöne Schrankwand, Auszieh-Couch, Tisch, Stühle, SW-Fernseher kaufen. Mit Wartezeit, aber es kam alles. Wir zeigten alles Edit stolz. Sie: " Ja, aber der Erich (damals unbekannter Stiefbruder) hat so eine tolle Wohnung mit .......". Sie hatte kein Gefühl! Habe ich nicht vergessen nach über 48 Jahren!

 

Auch Polizei-Hauptmann Kurt aus Riesa mit Frau und Tochter Renate reisten mit ihrem Trabant 601 schnell an. Hilde betonte zu Edith, dass Kurt wegen mir die Großmutter unterhalten mußte und Renate drängte Edith in den Intershop. Vorbei war es mit sozialistischer Abgrenzung/ Distanzierung. 

 

Edith wollte nicht bis zur Beerdigung ihrer Mutter, also meiner Großmutter warten und fuhr wieder los. Ich sagte meiner Mutter bei der Abreise, dass sie mir eine Einladung schicken sollte, wenn sie 1975 Silberhochzeit mit meinem Stiefvater hat.

 

                                Im Nachhein stellte ich fest - als wir im Westen waren und die

                                Lage im Westen kannten, dass es nur Show war, dass sie angeblich

                                schnell wieder abreisen mußte!

 

Tatsächlich kam 1975 so eine Einladung. Ich konnte es nicht glauben. Ich reichte die ein. Die Stasi kam ins Haus (erfuhr ich später)  und fragte Nachbarn, wie unsere Ehe so liefe. Fragten in der Firma. Ich war nicht in der Partei, aber man hatte mich schon mal vorher gefragt, ob ich nicht Mitglied werden will. In der Firma hatte ich bei der Meßmittelüberwachung keine geheime Stelle und so paßte alles für die Genehmigung der Reise durch die Stasi. Politisch wollte die DDR in der Zeit nach Helsinki zeigen, wie weltoffen sie war. Ich war damals 27 Jahre alt. Unsere Tochter Katja war unterwegs. Frau durfte ja sowieso nicht mitreisen. Mußte als Geisel da bleiben. Mit der Frau konnte man sich auf gar keinen Fall unterhalten, was wäre, wenn ich drüben bleiben würde? Sie wäre zur Polizei gegangen. Wäre in jeder anderen, intakten Familie auch so gewesen. Vielleicht wäre sogar noch die Scheidung gekommen und berufliche Schwierigkeiten. 


Weitgehende Überlegungen, ob man im Westen bleibt, kamen bei mir nur im Geheimen vor. Einfach die Frau mit dem Kind dasitzen lassen, wäre unanständig gewesen. Man wußte von Arbeitslosigkeit im Westen, härtere Gangart bei der Arbeit. Ob es stimmte oder nicht, wußte man nicht. Man hatte keine Ahnung und das schreckte ab, einfach in den Westen zu rennen. Es war eine Sache mit vielen Unbekannten.

 

Ich fuhr mit dem Zug von Dresden nach Köln, weiter nach Eschweiler. Trug Schlips und Cord-Jacket. War auch für West-Verhältnisse elegant. Mein Stiefvater war nun selbstständig, baute Einfamilienhäuser und ein Architekt war der Konzessionsträger. Es lief gut. Die großen Jungens halfen mit auf dem Bau. Sie wohnten in einem neuen 1-Familien-Reihenhaus, was sie abbezahlen mußten.

 

Ich bestaunte am Haus die Alu-Rahmen der Fenster. Weiß ich noch wie heute. Die Kinder waren noch alle größtenteils zu Hause. Der nach mir geborene G. studierte Theologie und wurde später evangelische Pastor (gest. 2012). Dieser Günter spielt später noch eine große Rolle. Andere Kinder lebten mit ihren Freunden/Freundinnen zusammen. Ungewohnt für mich, da das die DDR-Wohn-Verhältnisse nicht zuließen. War alles neu und beeindruckend für mich. War halb krank durch die neuen Eindrücke. Die großen Kinder hatten schon alle Autos. 

 

An jeder Straßenecke standen Autos, die man sofort kaufen konnte (wenn man Geld hatte). In den Läden hingen die Bananen (ab 0,99 DM/kg). Schwester machte mich auf "ab 0,99 DM" aufmerksam, da ich so eine Preisangabe mit "ab" nicht von der DDR her kannte. Schmale Straßen asphaltiert, alles sauber im Westen. Niedliche, niedrige Häuser an den Straßen. Ort war schon beeindruckend.

 

Von der Stadt Eschweiler erhielt ich 100 Westgeld als Begrüßung und kaufte mir davon u. a. einen einfachen, grün leuchtenden Taschenrechner für 25 Westmark, der maximal Quadratzahlen ausrechnen konnte. War der Technikstand von 1975. 

 

Mit den Eltern und paar Kinder fuhren wir auf einen Rummel nach Düren. Dort gab es einen Schießstand, wo man ein Polaroid-Farbfoto erhielt, wenn man traf. Traf nicht sofort und bezahlte immer mehr, bis es endlich klappte. War sauer auf mich, dass ich das Westgeld so verplemperte.

 

Ich konnte nur 7 Tage bleiben lt. DDR-Visum. Es kam mal ein Gespräch in der Eschweiler Familienrunde auf wegen "Bleiben im Westen". Mein Mutter verneinte das kategorisch gegenüber anderen Leuten, dass ich im Westen bleiben könnte/sollte. Sie verwies auf meine wartende Frau und das kommende Kind im Osten. Aber es ging ihr auch um zusätzlich Arbeit, wenn ich da bliebe. 

 

Der Abreisetag kam, ich fuhr nach Köln, wo ich in den Interzonenzug Köln -Dresden umsteigen mußte. Ich fuhr eher los und ging in Köln in die Stadtverwaltung und fragte nach evtl. Hier-Bleibens. Die sagten aber, dass ich rückreisen sollte, da ich keine Unterlagen da hätte und ich ja vielleicht immer hin- und her reisen könnte, wenn ich einmal kommen konnte. Ich glaubte es nicht, aber nahm es als Entscheidung, was ich zu tun habe. Nach Eschweiler hätte ich kaum rückgehen können. Wäre irgendwo in einer Stadt im Männer-Wohnheim gelandet als Ungelernter. Also alles ungünstig. Ob die Frau nachgekommen wäre, war unsicher. Einmal hätte die DDR nicht ewig raus gelassen. Dann wäre sie auch nicht von selber gekommen, denn ihre Mutter hätte gegen mich geredet: "Guck, wie er dich sitzen gelassen hat!" 

 

Schockierend war auch beim Köln-Bummel, bis der Zug los fuhr, ein Besuch eines McDonalds. Ich war irritiert vom schnellen Arbeitstempo dort. Dachte, so geht es überall zu auf Arbeit im Westen.

 

Unterwegs kamen mir im Zug Zweifel. Wie wird es in der DDR weiter gehen, nachdem ich die BRD gesehen hatte? Ich wollte schon die Zug-Notbremse ziehen. Dann war aber schon die Einfahrt in die DDR da. Der DDR-Zoll kam und wollte für meinen Taschenrechner eine unverschämt hohe Summe in Ostgeld haben. Wollte ich nicht bezahlen und ich konnte den Rechner nach Eschweiler zurück schicken.  

Zurück in Dresden erzählte ich nie etwas von meinem Besuch bei der Stadtverwaltung in Köln. Zu gefährlich gewesen. Ich erzählte von meinen Eindrücken und wollte meine Frau überzeugen, einen Ausreiseantrag in die BRD zu stellen.

 

Sie zweifelte und wollte erst einmal den angekündigten Besuch meiner Mutter und Stiefvater, die zu Weihnachten kommen wollten, abwarten was die dazu sagen. 

 

Sie kamen und meine Frau lernte meine Stiefvater Heinz kennen, der die Sache einfach sah. Ok wir machen es!

 

Nun war ich nicht für einen sofortigen Bruch mit der DDR bereit. Ich wollte mich selbst hochpuschen. Wir schrieben einen Brief nach Berlin und beantragten ein ständiges Visum zum Ein- und Ausreisen für die BRD. Das wurde natürlich abgelehnt, womit zu rechnen war. 

 

Ich trat aus dem FDGB aus und hatte noch ein Kadergespräch, wo ich eine Gehaltserhöhung bekam. Ich sagte danach, dass wir aus der DDR raus wollen. Die Leute wurden blaß. Es kam ja da auch politische Arbeit und Schuldzuweisungen auf die zu von deren Vorgesetzen. 

 

Im Nachhinein bin ich selbst über mich/uns erstaunt, über den Mut oder Irrsinn, dass wir das machten. Aber damals waren wir auf so einem Trip. Hinterher ist man immer schlauer.

 

Ich hatte meinerseits keine Schwierigkeiten, meiner Anverwandtschaft die Ausreise mitzuteilen. Es war ja nur noch eine Tante Ruth (gest. 2000) da. Bei meiner Frau war es schon enorm schwieriger. Sie würde die Mutter, Großmutter und 2 ältere Brüder verlassen. Den Brüdern war es egal, aber für die Mutter brach schon eine Welt zusammen. Jeder in der DDR wußte, dass man sich erst wieder sehen konnte, wenn die Mutter im Rentenalter war. Unklar war auch, ob wir mal wieder zu Besuch in die DDR kommen konnten. 

 

Wie erging es der Verwandtschaft meiner Frau? Wurden die auch von der Stasi vorgeladen? Wie war die Reaktion im Dorf, wo sich jeder kannte oder auf deren Arbeit? So etwas spricht sich wie ein Lauffeuer rum und alle interessieren sich sicherlich dafür. Ich muß mal den einen Bruder und die Schwägerin fragen, wenn ich mal wieder dort bin. Weiß nur, dass die Schwiegermutter meiner Frau riet, sich von mir scheiden zu lassen. Aber meine Frau war standhaft und noch mehr von der DDR abgewandt als ich. 

Meine Mutter und mein Stiefvater erzählten bei ihrem Besuch von meinem Halbbruder Günter. der mit seiner Studiengruppe bald nach Krakau/Polen reist. Wir fuhren mit dem Zug dorthin und trafen ihn im Hotel, in der Gruppe. Durch diesen persönlichen Kontakt setzte er sich mehr für uns ein. Schon weil er meine Frau nett fand und aufgrund seiner kirchlichen Einstellung. 

 

Er kam dann noch mit seinem Renault R14 paar Mal zu uns zu Besuch auf die Weißdornstraße und insgeheim wurde die Beziehung von ihm zu meiner Frau immer fester. Ich sah es eigentlich locker, was ein Fehler war. Aber was hätte man auch machen können?