1900 - 1948

Ahnen, Vorgeschichte

Ich habe noch einen Militär-Entlassungsschein von 1819 da von einem gewissen Adam. Müßte also aus einer mütterlichen Linie stammen, die eingeheiratet hatte. In dem verfolgbaren Stammbaum sind ja viele Namen drin, wie Adam, Ouosdorf, Bergelt, Freund, Peege, Blochwitz. Interessant das alles zu erforschen. Ahnenforschung ist auch ein Hobby von mir. 

 

Meine mütterlicherseits Großeltern Karl Adelbert Felix G. (* 20.06.1889, gestorben .......) und Dora Freund  (* 17.10.1895, gest. 22.03.1973) hatten 1 Sohn und 4 Töchter.  

 

Der Großvater war beamteter Straßenbahnfahrer, dann Bahnhofsvorsteher von DD-Trachenberge (hieß ganz früher Drachenberg) und war in die NSDAP, weil Hitler Wohlstand brachte. Von KZ's hatten die Großeltern und die anderen Verwandten nichts gewußt.

 

Eine Tochter, Charlotte, "Lotte" genannt (* 07.09.1919), starb schon jung mit 23 Jahren an ......... (gestorben 27.03.1942).

 

Der Krieg kam und der eine Sohn, Heinz (* 17.06.1923, gestorben 18.06.1980 in Münster), war im II. WK bei den Panzern und hatte die Panzerschlacht in Orel/Rußland  mitgemacht, wo 2.700 deutsche Panzer 8.200 russischen Panzern gegenüber standen. Später war er dann in Rimini/Italien im Kriegsgefangenen-Lager.

 

Nach 1945 ließ er sich aus der Gefangenschaft  nach Münster entlassen, weil man eher in den Westen entlassen wurde als in den Osten. Er ging mit einem Freund mit und heiratete später dessen Schwester. Sie hatten dann 2 Kinder. Er schrieb nach dem Krieg viel zu meiner Großmutter, aber kam nicht nach Dresden aus Angst vor den Russen/DDR-Regierung. Mutter und Sohn sahen sich nie wieder seit dem Kriegsende. 28 Jahre lang nicht.

 

Weiß nicht, ob er von Tode seiner Mutter erfuhr im Jahre 1973, schließlich lebte er bis 1980 noch. Es kam jedenfalls nichts von ihm. 

 

https://www.stern.de/panorama/wissen/hitlers-offensive-bei-kursk---das-grab-der-deutschen-panzer-8156424.html    Panzerschlacht Orel/Kursker Bogen

 

In Rußland gab es in Kriegszeiten nichts beim deutschen Heer groß zu essen oder evtl. mitzunehmen als Geschenk im Heimaturlaub. Der andere Sohn, Kurt (* 14.10.1917, gestorben 13.05.1996 in Eschweiler- nach Übersiedlung um 1992 von Riesa aus), war dagegen in Frankreich eingesetzt, kannte gar keinen richtigen Krieg und brachte beim Heimaturlaub einen Haufen luxeriöses Essen mit. So vertrugen sich die beiden Jungens seit der Kriegszeit schon nicht mehr. Dazu kam - was ein dunkles Familiengeheimnis war - dass die Großmutter Anfang 1915 in Stellung bei reichen Leuten war und dort schwanger mit Kurt wurde mit 22 Jahren. Auf alten Familienbildern sieht man nämlich diesen Jungen nie. Auch im Familienstammbuch steht Kurt nicht. 

 

1945 war der Einmarsch in Dresden. Vorher wurden Panzersperren in Dresden N 23, Kleiststr. zum gegenüberliegenden Haus einzogen, von weißrussischen Soldaten mit irgendwelchen kleinen Pferden. Es waren Baumstämme, die bis zum 1. Stock hochreichten und rechts und links nur kleine Öffnungen hatten, damit man durchkam. Paar Leute von der Straße wollten das nicht, weil sonst die Russen die Sperren mit Panzern niedergeschossen hätten. Jedenfalls wurden auch nachts die noch daliegenden Stämme geklaut und zersägt für den heimischen Ofen. "Es ratterte nachts auf der Straße, als die Stämme fortgeschleppt wurden", erzählte man.

 

Auf der Großenhainer Straße, die von Moritzburg in die Innenstadt geht, trieb man große Häftlingszüge Richtung Stadt und meiner damals 15-jährigen Tante Ruth klangen bis zuletzt (2000 gestorben) das "Klapp-klapp" der vielen Holzpantinen der Häftlinge in den Ohren.

 

Die Bevölkerung wußte aus Radio und den Kino-Wochenschauen, dass die Russen die Frauen vergewaltigen, usw. So hatten sich schon etliche Leute, Familien umgebracht vor Angst, u.a. auch eine Familie mit 2 Töchtern von der Weinbergstraße.

 

Die Russen kamen dann den Berg "Wilder Mann" runter. Überall wurden weiße Bettlaken aus den Fenstern gehangen. Die Hausbewohner unseres Mietshauses versammelten sich im Keller und harrten der der Dinge, die da kommen. Alle hatten furchtbare Angst. Wußte ja niemand, wie das ausgeht. Alles war möglich. 

 

Ein Volkssturm-Mann kam mit Fahrrad noch vorbei und hatte noch eine Handgranate, die ein Mann noch irgendwo versteckte. 

 

Dann kamen die Russen in den Keller und inspizierten die Leute. Machten aber nichts. Ein älterer Mann aus dem Haus (Herr Milde) mit Buckel fragten die Russen, wo seine Frau wäre. Die hatte er versteckt. Die Russen wollten aber nur wahrscheinlich sehen, wie seine Frau aussieht (lt. Großmutter und Tante lachend). Dann zogen sie wieder ab.

 

Die Russen richteten eine Kommandantur in Trachenberge ein. Wenn abends Russen unterwegs waren, schlugen die ganzen Leute in Häuser an solchen aufgehängten Kartuschen so einen Krach, dass die Russen verschwanden. Die ganzen Trennmauern im Keller und auf den Höfen waren ja auf, damit man beim Bombenangriff von einem Haus in das andere flüchten konnte. Später mauerte man sie wieder zu. 

 

Beim Einmarsch gab es natürlich viele, die die Russen bejubelten, so auch die jungen Mädchen, die zum Fenster rauswinkten. Das merkten sich die Russen, wo die wohnten und gingen abends hin, hieß es. 

 

Wenn die Russen Arbeitskräfte brauchten holten sie die Leute von der Straße. Herr Milde stellte sich halb in der Nach für Brot an und kam erst paar Tage später zurück. Er mußte bei den abgebauten Eisenbahn-Schienen Schrauben auflesen. Ob Witz oder nicht: Eine Trauer-Gemeinschaft in schwarzen Sachen mußte Mehlsäcke schleppen ....

 

Für die Kinder waren die Russen lustig. So hatten sich die Russen das rote Elektro-Postauto von der Poststelle Dresden N 23 auf der Großenhainer Str. genommen und fuhren wie wild herum. Andere erzählten, dass ein Russe mit einem Pferdefuhrwerk ankam und einen Radfahrer sah, der freihändig fuhr. Er hielt ihn an, gab ihm das Fuhrwerk mit den 2 Pferden und nahm sein Fahrrad. Angeblich sollte auch ein Russe in die Toilette geschossen haben, weil alles weg war, als der zog.

 

Die Großeltern mußten als Nazis sonntags zum Laubschaufeln gehen. Die Leute, die bisher die Großeltern freundschaftlich grüßten, geiferten: „Geschieht euch recht, ihr Nazis!“. Der Großvater wurde rausgeschmissen und mußte als Hilfsarbeiter bei einem Dachdecker arbeiten. Beamtenrente futsch. 

 

                   Woher ich das alles weiß? Wir und andere hatten in meiner Kindheit

                    keinen Fernseher und so kam man abends zusammen bei Tee und erzählte sich

                    die alten Geschichten. Mehrmals das gleiche :-) 

 

 Irmgard (* 14.02.1925, gestorben 26.02.1946), die andere Tochter, war Stenotypistin und verstarb 1944 mit nur 19 Jahren.  Diphterie? Ein herber Schlag für meine Großeltern. Die Großmutter erzählte, dass sie bei der Irmgard im Krankenhaus waren und diese klagte: "Ich habe Durst!". Man konnte ihr nichts geben; es wäre tödlich gewesen. Nur die Zunge durfte man benetzen.  

 

So blieben nur noch Heinz, Kurt, Edith und Ruth übrig.

 

Kurt war dann ab 1947 mit 28 Jahren bei der kasernierten Polizei und hat sich dann hochgedient bis zum Hauptmann der Volkspolizei und zum Polizei-Chef vom Stahl- und Walzwerk Riesa/Gröditz (Stand 1973).

 

Edith (meine Mutter), bekam mich im Oktober 1948, als 21-jährige. Mein leiblicher Vater, war aber nicht mit ihr zusammen. Er war 8 Jahre älter und war Maschineneinrichter, wie ich aus DDR-Jugendamtsunterlagen entnahm. Heute würde man One-Night-Stand dazu sagen. Edith (* 24.05.1927, gest. 21.12.1994)  lernte Photo-Laborantin, arbeitete dann in einer Tabakfabrik in DD nach dem Krieg. Zigaretten waren damals wie eine Währung. Sie war ein "Hans-Dampf" in allen Gassen. Mußte auch Zigaretten geklaut haben und wollte Liebkind bei allen Bekannten sein. Sie versprach den Leuten alles, nahm Geld an und verlor dabei den Überblick. So standen Leute vor der Wohnungstür und vor dem Großvater, die was von der Edith wollten.

 

Die Dresdner plünderten nach dem Einmarsch 1945 auch die Gurkenfarbrik Lommatsch am Hubertusplatz. Edit soll mit auf den Gurkenfässern gestanden und großspurig verteilt haben. So war sie angeblich. Man steckte dann den Großeltern, dass man sie verhaften wollte. So ging Edith bei Nacht und Nebel 1950 nach Eschweiler mit ihren neuen Freund Heinz P. und ließ mich bei den Großeltern: „Wir holen den Jungen nach, wenn wir dort Fuß gefaßt haben!“. Heinz's Eltern lebten in Dresden, aber waren schon nach dem Krieg in den Westen gezogen.

 

              Warum? Weiß ich nicht, da alle die es wissen könnten verstorben sind.

 

Der andere Sohn Heinz, nach dem Krieg/Kriegsgefangenenlager in Rimini, nun mindestens 24-jährig,  hat nach Münster dann geheiratet (eine gewisse Resi) und dort mit ihr 2 Kinder. Ich sah diesen Onkel nebst dessen Familie nie. Später kamen immer nur ab und zu Briefe, Bilder und mal ein Päckchen zur Großmutter.

 

In der Schulzeit wollte ich gern paar Jeans haben. Heinz wollte dafür eine russische Offiziersmütze mit echten Fell. Ich konnte nur eine normal Soldaten-Mütze ohne echtem Fell besorgen. Jeans erhielt ich nie.

 

Nach meiner Geburt lebte ich also in DD bei meinen Großvater Felix, meiner Großmutter Dora und deren Tochter, meiner Tante Ruth (* 09.11.1930, gestorben 13.01.2000 mit 69 Jahren - Raucherin).

 

Der Sohn Kurt lebte mit seiner Hildegard, geborene Schlage auf der Hans-Sachs-Str. und hatte ja bei der Polizei angefangen. Hilde war Hausfrau. Sie bekamen auch 1948 ein Mädchen, die Renate. Lebenslang waren wir Konkurrenten und vertrugen uns nicht. Sie war klüger, wortgewandter und wußte, wie sie mich auf die Palme bringen kann.  Kurt stieg in der polizeilichen Rangordnung und später war er der Polizei-Oberste für das Stahl- und Walzwerk Riesa. Sie siedelten dann nach Riesa. Das Werk wurde polizeilich bewacht, da es zur Schlüsselindustrie der DDR gehörte. Er hatte ca. 100 Polizisten, Sicherheitsleute unter sich.

 

             Nach unserer Verhaftung 1978 sagte er zu meiner Tante Ruth: "Geschieht denen recht!".                 Ironie der Geschichte: Meine Ex-Frau M., die später mit meinem Halbbruder Günther                       heiratete, kam notgedrungen über meine Mutter Edith (nun ihre Schwiegermutter) mit

             ihm in Kontakt, da fast alle in Eschweiler lebten und sich dort trafen. M. konnte das

            aber diesem Kurt das nicht verzeihen und konnte ihn daher nicht leiden. 

 

Kurt hatte öfters in Dresden zu tun. Hatte einen EMW als Dienstwagen mit Fahrer und kam auf den Weg nach Riesa bei der Großmutter vorbei. Fahrer mußte im Auto warten. 

 

1951, mit 62 Jahren, starb der Großvater an einem Herzinfakt, denn er rauchte Zigarre und war beleibt. Dann die schwere Arbeit als Helfer/Dachdecker auf dem Dach.

 

Nun lebte ich mit der Großmutter und Ruth zusammen. Ruth hatte ab und zu einen Freund, heiratete aber nie. Vom Juni 1945 bis Aug. 1945 war sie eingeteilt Aufräumarbeiten bei der sowj. Stadtkommandatur Trachenberge zu machen. Dann  war sie 2 Jahre im Sachsenverlag als Hilfsarbeiterin und von 1947 bis 1950 ein "Lehrmädel" im Hutgeschäft Ida Schramm/Pahlitzsch am Großenhainer Platz/Trachenberge. 1950 war sie dann Gesellin und arbeitet dort weiter bis 1955. Das Geld war aber mäßig, Hutmode ging bergabwärts und so fing sie als Montage-Arbeiterin bei der Firma Gustav Barthel, Dresden A-21, Bärensteiner Str., Lötkolben-Hersteller, in Striesen, an und wickelte dort die verschiedenen Heizspiralen für Lötkolben.  Firma machte auch Benzinkocher.  International bekannt. Ruth kam an diese Arbeit ran über den Bruder meiner Großmutter,  Walter Freund , der dort die technische Leitung in der Firma hatte. Er mußte auch in den 20-er Jahren in unserer Wohnung die elektrische Leitungen gelegt haben, da er Elektriker vorher war. 

 

Der Job war nicht ideal und sie heulte oft, weil die feinen Drähte nicht einfach zu händeln und die Norm nicht zu schaffen war. Früh um 4 Uhr mußte sie aufstehen, da es eine lange Straßenbahnfahrt von Trachenberge bis Striesen war. Später, kurz vor der Rente gefiel es ihr, da sie stellv. Meisterin und der Lohn besser war. Trotzdem war ihr Leben nicht einfach.

 

Die Großmutter war beim Tod des Großvaters (1951) auch 56 Jahre alt. War nur Hausfrau die ganze Zeit. Hatte mich 3-Jährigen noch zu umsorgen. Was sie für eine Sozialhilfe bekam weiß ich nicht. Jedenfalls mußten Kurt und Ruth mit für ihren Lebensunterhalt bezahlen. Mein Kindesvater bezahlte 63 Ostmark/Monat für mich, zeigen Papiere vom Jugendamt. 

 

1953 fuhr die Großmutter mit mir nach Eschweiler um mich "zu übergeben". Inzwischen hatten Edith und ihr neuer Mann schon weiter größere Kinder und ein Baby. Ich weiß noch wie heute, wie die beiden großen Kinder sich ein Bett teilen mußten. Ist mir heute noch in Erinnerung. Edith war zu Hause und ihr Mann arbeitete als Maurer. 

 

Kurzum: Ich bin heutzutage der Älteste von etlichen (13?) Halbgeschwistern. Einer oder zwei sind vor/bei Geburt schon gestorben. Die TV-Wollny's sind nichts dagegen :-) . Die Kinder sind aber alle solide. Haben Beruf erlernt. Sind in der Baubranche. Zwei sind  auch schon ab 2012 verstorben. So ist das Leben. 

 

Jedenfalls wollte ich dort nicht bleiben, weinte und fuhr mit der Großmutter zurück. Weiß ich noch wie heute. Von der dortigen Verwandtschaft erhielt ich noch einen Luftroller. Durfte aber damit in Dresden, zu Hause anfangs nicht fahren, weil wir ja Sozialhilfe-Empfänger waren. Großmutter wollte das nicht. Wie hätte das auch ausgesehen!  



Bilder: Ein Vorfahre "Adam" (geb. 1795) aus der mütterlichen Seite meiner Ur-Großmutter und sein Militär-Entlassungs-Schein von 1818 *** Familienbild von ca. 1901. Meine Großmutter Dora (1895 - 1973) ist hier noch ein Kind (ganz rechts). Meine Ur-Ur-Großeltern müßten das alte Paar in der Mitte sein *** Meine Großmutter als junge Frau *** Großvater (ganz rechts) im 1. Weltkrieg *** Großmutter war im 1. WK Straßenbahnführerin *** Großvater war anfangs Schaffner, dann Bahnhofsvorsteher von DD-Trachenberge *** Ein Teil der Kinder meiner Großeltern *** Aufnahme bei einer Verwandtschafts-Feier noch mit richtigem Blitzlicht (alles dunkel, dann zündete der Blitzbeutel) *** 1940 - Klassenaufnahme bei Ruth (sie war da 10 Jahre, beachte: reine Mädchenklasse) **** Silberhochzeit der Großeltern * Großmutter Dora mit Ruth *** Irmgard (?) ***** Edith mit Schwester oder Freundin  *** Heinz als Panzerfahrer in Rußland *** Sein Brief aus dem italienischen Gefangenenlager 1947 ***Meine Mutter Edith (1930 - 1994)