1955

In einen Kindergarten ging ich nie, da die Großmutter ja zu Hause war.

 

1955 wurde ich eingeschult in die 28./94. polytechnische Oberschule in DD-Trachenberge, Maxim-Gorki-Str.

 

Besuchte die 1. bis 8. Klasse. War bei den Pionieren und in der FDJ und machte alles mit.

 

 Die Großmutter bekam nur Sozialhilfe. Ich den Unterhalt vom Kindesvater und noch einen Staatszuschuß und Großmutters Kinder, die noch erreichbar waren, wie Ruth und Kurt mußten auch für ihre Mutter, meine Großmutter, bezahlen. Ruth wahrscheinlich nicht, da sie nur Akkord-Arbeiterin war und nicht viel verdiente. Jedenfalls hatten wir nicht viel Geld. Kann mich noch erinnern, dass ich immer viele Brote mit Speckscheiben in die Schule bekam. Wenn es Wurstscheiben gab, dann wurde die Scheibe in Stücke geschnitten und so gestreckt. Meine Lieblingswurst war "Preßkopf" (Sülzwurst). Weiß noch, dass 100 g gleich 0,40 Ostmark kamen, denn ich holte mir, wenn ich Geld hatte, immer 50 g nur. 

  

Nach der Schule waren wir Kinder auf der Straße, spielten Völkerball, Federball, Verstecken, Hasch-mich und ärgerten auch die Leute.  An einem Haus war immer ein Treff, wo die großen Jungs auch rumsaßen. Das versperrte einer Mieterfamilie im Erdgeschoß den Blick ins Freie und die Ansammlung war natürlich nicht leise. Die Mieterfamilie regte sich natürlich auf, wollte, dass wir weggehen. Da warf einer mal eine Handvoll Reis in deren Küche und der Mieter kam rausgerannt und kam später zu den Eltern. Auch auf Garagendächern waren wir oft, wenn wir Verstecken spielten. Wenn dann Herren Hensel mit seinem Motorrad-Gespann kam, sprangen wir runter und rannten weg. Hensel's hatten selber 2 Kinder in meinem Alter und sie hatten eine SW-TV-Musik-Truhe, die schon teuer war. Nachmittags liefen um 14 Uhr immer Filme. So sahen wir "Das Fräulein von Scuderi" (DEFA 1955). Mit Helmut, den Sohn, 1 Jahr älter als ich, machten wir immer tolle Kissenschlachten in seinem Kinderzimmer. 

 

 

Auf unserer Straße wohnte ein Ehepaar Huhle im 3. Stock eines Mietshauses. Die Frau war zuckerkrank, stark übergewichtig und konnte nicht mehr raus und suchte jemanden, der jeden Tag von 15 - 16:30 Uhr für sie einkaufen ging. Sie bezahlte 15 Ostmark für 1 Monat! War viel für damals. Ich machte es und hatte so mein Geld fürs Kino, Eis. Machte ich 2 Jahre bis Ende 8. Klasse. Zuletzt war der Lohn bei 25 Ostmark! Von diesem Geld kaufte ich auch meinen Alu-Rechenstab, den wir in der Schule brauchten. War stolz.

 

Die Frau Huhle war irgendwie früher Köchin bei reichen Leuten. Ihr Haushalt war pico-bello. Ihr Mann war anfangs noch bei der staatlichen Versicherung in höherer Position. Er war immer unterwegs, auch nach der Arbeit. Er richtete sich sein Leben ein. War ein eleganter Lebemann. Beide waren in der SED und wollten später in ein spezielles SED-Partei-Altersheim gehen. Der Mann starb aber vorher. Hatte dann den Kontakt verloren mit der Frau Huhle.

 

                                    Eine Schulkameradin von damals erzählte mir 2022 bei

                                     einem Klassentreffen, dass sie dann der Frau Huhle half.

 

Frau Huhle hatte immer genug Aufträge. Fisch holen, Wäscherei gehen, Einkaufen dort und dort, Kohlen aus dem Keller holen. Nach Bannewitz mit dem Überlandbus fahren zu einer Bauernfrau, mit der sie mal im Krankenhaus lag und dort Eier und einen frisch geschlachtetes Huhn holen. Das Huhn und die Eier hätte man auch in der HO oder im KONSUM bekommen, aber sie war kontaktfreudig. Sie umhäkelte Taschentücher und schenkte auch welche an die welt-bekannte Schwimmerin Helga Voigt, die Tochter des Besitzers des noblen "Luisenhof" auf dem Weißen Hirsch, die dann 1956 bei einem Brand des Luisenhofes an Rauchvergiftung starb (https://www.stadtwikidd.de/wiki/Luisenhof).   

   

Das Geld für das Einkaufen brauchte ich, aber dafür ich konnte den fakultativen Englisch-Unterricht nicht mitmachen, der von der Schule nachmittags angeboten wurde. Damals brauchte man in der DDR kaum Englisch. Höchstens beim Lesen der Kino-Filmtitel, wie "Little Big Man". Konnte ich damals nicht aussprechen. Weiß ich noch wie heute! Später, ab Ausreise-Begehren, holte ich Englisch in der Abend-Volksschule in der DDR nach und machte dann weiter in der VHS im Westen.  

 

Russisch hatten wir in der Schule und da war ich gut. Aber wir hatten keinen Kontakt mit den Russen in der DDR. Der normale Soldat kam nur in der Gruppe nur mit einem Offizier raus. Die russischen Offiziere mit ihren Frauen waren nur in der Nähe ihrer Standorte bzw. in ihren Casinos. In Klotzsche gab es auch ein Russenladen mit Cafe, wo wir Deutsche auch reingehen konnten. Typisch waren diese Rechenrahmen mit Kugeln an der Kasse. Da waren die russischen Verkäuferinnen schnell drin beim Zusammenrechnen der Preise. 

 

Schulisch war ich immer gut, so dass der Direktor mich Ende der 8. Klasse fragte, ob ich nicht eine Spezialschule in Klotzsche besuchen wolle, wo ich 1 Lehrjahr als Elektromechaniker in der 9. und 10. Klasse mitsamt Berufsschule schon mitmache. Brauchte dann nur 1,5 Jahre noch zu lernen und nicht mehr 2,5 Jahre. Ich sagte ja. So ersparte ich mir eine Lehrstelle zu suchen.Zur Schule wieder: Ich mußte allerdings mit dem Linienbus von Trachenberge immer bis Klotzsche fahren. Andere kamen von Übigau und hatten einen noch längeren Fahrweg. In der dortigen Schule, in der 9. und 10. Klasse, ging es locker zu. Wir hatten noch Lehrer (Gnüchtel, Mehlhorn), die im Krieg waren und viel davon erzählten.  Lehrer hatten es nicht einfach mit der Klasse und wurden geärgert. So wurde im Erdkundeunterricht der Landkartenhalter hochgezogen und der Strick hinter ein Bild geklemmt, was mutwillig schief gedreht wurden. Wir wußten ja, dass der Lehrer es gerade drehen würde, wenn er reinkommt. Dann würde der Landkartenhalter runter saußen ...

 

            Lehrer Mehlhorn, immer im weißen Berufsmantel,  erzählte immer gern Erlebnisse,

           als er in Rußland war. Einmal lag er nachts  Pritsche und guckte an die Decke.

           Da sah er, dass ein Stück  der Decke wanderte. Er guckte genauer hin. Man

           hatte die Decke gekalkt  und ein Schwung Kakerlaken mit eingekalkt. Diese Platte

           bewegte sich nun.

 

Im Musikunterricht fingen paar an die Sitzbänke mit den Knie hochzuheben und vor zu rattern, wenn der Lehrer am Klavier war und nicht guckte. Das machten dann 3 Bankreihen :-)

 

Klasse sollte still sein. Schüler Wackwitz aber sprach weiter zu seinem Nachbarn. Musiklehrer stand neben ihm mit einem Stapel Büchern. Dann ging ihm die Nerven durch und er haute dem Wackwitz den Stapel auf den Kopf. Lehrer erschrak aber im gleichen Moment und war ganz besorgt um ihn. 

 

Wir hatten ja auch Staatsbürgerkunde-Unterricht von einer Frau. Im anderen Jahr von einem Mann. Klasse war kritisch mit der Politik. 

 

Wir hatten dann Berufsausbildung aller 3 (?) Wochen im Industriegebiet Meschwitzstraße, wo die Lehrwerkstätten waren. Eine Episode: Eine alte Frau machte die Räume sauber und irgendwie ging es drunter und drüber. Sie entrüstet, halb weinend: "Hier geht es ja zu, wie in einer Judenschule!". Lehrausbilder beschwichtigte sie und nahm sie in den Arm.

 

Erhielten Ausbildung in Löten, Feilen, Anreißen, Nieten, Runden, Tengeln, Bohren, Gewindeschneiden, Drehen, usw. Wir sollten ja Elektromechaniker werden. Auch ging es in die Berufsschule für die Theorie, die aber auf dem Flugzeugwerft-Gelände lag. 

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Elbe_Flugzeugwerke